
Kann man Liebe verdienen?
Man muss nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen…
Aber Sprache ist mächtig. Sprache beeinflusst unser Denken und auch das unserer Kinder. Wenn wir Sprache benutzen erweckt sie Bilder, Erinnerungen und Emotionen in uns. Sprache kann manipulieren. Und oft bekommen wir den Einfluss von Sprache gar nicht mit, weil Sprechen so selbstverständlich ist.
Ein Plädoyer für einen bewussten Umgang mit Sprache und Denken als Eltern:
„Kinder brauchen unsere Liebe am meisten, wenn sie sie am wenigsten verdienen.“
-unbekannt-
???
Diesen Text beginne ich bewusst mit drei Fragezeichen! Sie stehen nämlich ganz groß über meinem Kopf und ich versuche Worte zu finden, die ganz klar mein NEIN begründen.
Dieses Zitat ist mir in meinem PEKIP-Onlinekurs begegnet, an dem ich mit dem Inselzwerg teilnehme und wir sollten hierzu unsere Meinung äußern.
Und es beschäftigt mich wirklich nachhaltig. Ich finde es nämlich absolut falsch!
Wenn ich diesen Satz unreflektiert lese, dann kann ich die Botschaft, die der Autor damit rüberbringen wollte, erahnen:
Dann, WENN man als Eltern an dem Verhalten der Kinder verzweifeln mag, man gar nicht mit dem einverstanden ist und es schon gar nicht gut findet, was sie gerade tun, DANN soll man TROTZDEM ganz viel Liebe aufbringen und sie zeigen, OBWOHL das Kind ja gerade gar keine Liebe verdienen würde. Man soll dem Kind also signalisieren, „Ich liebe dich“, obwohl… Und sich selbst soll man sagen, „Ja, das ist alles gerade nicht so, wie ich das möchte, aber ich liebe mein Kind trotzdem, obwohl es gerade gar nicht verdient hätte geliebt zu werden“.
Das klingt total super, wenn man nicht darüber nachdenkt. Die Eltern besinnen darauf, dass ihr Kind ihre Liebe immer braucht und stehen dem Kind auch in schlechten Zeiten bei und das Kind bekommt die vermeintliche Botschaft, dass es trotz Fehlern geliebt wird.
Oder auch nicht!
Liebe mit Bedingungen
Die Botschaft lautet nämlich, „Ich liebe dich, obwohl du es nicht verdient hast“. Im Umkehrschluss heißt das ja auch „Ich liebe dich, weil du es verdient hast“.
Aha! Ich kann also Liebe verdienen. Die Bedingung für die Liebe heißt: VER•DIEN•EN (Verb; Entschädigung für geleistete Arbeit)
Ich muss etwas dafür tun, um Liebe zu bekommen, die ich brauche.
Wie verdiene ich mir also Liebe? Wie viel Liebe bekomme ich, wenn ich sie mir verdient habe? Und was muss ich dafür tun, um Liebe zu bekommen? Ich werde aber trotzdem geliebt, obwohl ich es nicht verdient habe? Wann habe ich denn keine Liebe verdient?
Die Kinder sollen also herausfinden oder bekommen diktiert, wann man sich durch das entsprechende Handeln Liebe verdient hat und wann nicht. Möchte man solche Gedanken einem Kind zumuten? Die Liebe mit „negativen“ Bedingungen verknüpfen, die das Handeln des Kindes betreffen? Vielleicht Unordnung, Ärgern, Bravsein, Artigsein…
Mama liebt mich, WENN ich aufgeräumt habe.
Papa liebt mich, WENN ich meinen Bruder nicht ärgere.
Mama liebt mich, WENN ich im Supermarkt brav bin.
Papa liebt mich, WENN ich auf Mama höre.
Glaubenssätze entstehen
Was vermitteln wir hier also unseren Kindern bewusst und unterbewusst, wenn man vielleicht nicht wortwörtlich ausspricht, dass sie die Liebe gerade nicht verdient hätten?
Wir verankern hier Glaubenssätze. Glaubenssätze, die ganz viele von uns im Erwachsenenalter wieder bearbeiten und aus unserem Kopf bekommen wollen und die vielleicht sogar zu ungesunden Beziehungen führen können. Liebe wird mit Handlungen verbunden.
„Ich habe es nicht verdient geliebt zu werden…“
Wenn ich dies oder jenes mache oder nicht mache, habe ich es nicht verdient geliebt werden. Ich muss etwas dafür tun, um geliebt zu werden.
Das ist meiner Meinung nach völlig falsch. Liebe ist nichts, dass man sich durch „Arbeit“ verdient.
Es gibt 14.000 Verben in der deutschen Sprache, ich bin mir sicher, dass man Liebe und verdienen nicht verknüpfen muss.
Liebe zu erfahren ist ein Grundbedürfnis des Menschen, wie Schlaf und Essen. Erziehung und Vermittlung von Werten stehen auf einem anderen Blatt.
Deshalb fängt es bei uns Eltern an, uns klar zu machen, wie wir unsere Sprache benutzen, was für ein Bild durch die Sprache entsteht, was wir Denken, wenn wir etwas sagen und wie wir es sagen.
Wenn wir uns einen solchen Spruch an die Wand hängen, sollten wir darüber nachdenken, was da wirklich steht.
Kinder haben unsere Liebe nicht verdient, nicht am Wenigsten oder am Meisten! Kinder brauchen unsere Liebe als Geschenk! Und das bedingungslos! Und das gilt für jeden Menschen- egal, ob groß oder klein.
„Kinder brauchen unsere Liebe- IMMER.“

